Interview mit Jürgen Balitzki 2009

Petra Schwarz: Jürgen Balitzki, der Mann, der „Born in the GDR“ für die Ausstellung zusammengestellt hat, Musikjournalist seit 100 Jahren, im DDR-Rundfunk, bei DT 64, jetzt viele, viele Jahre schon beim RBB. Bali, warum diese Auswahl unter dem Titel „Zeitzeichen – Lieder für alle, die alles wagen“?

Jürgen Balitzki: „Sandow ist eine ganz wichtige Band für eine neue Zäsur in der DDR-Rockmusik. Das sind die so genannten schrägen Bands gewesen. Die strukturell und von ihren Inhalten her was völlig anders machen wollten…Sandow kam und kommt aus Cottbus. Benannt nach Cottbus` Neubaustadtbezirk Sandow. Im Prinzip sind Sandow eine kleine Replik auf die Einstürzenden Neubauten. Neubauten standen allerdings in Cottbus noch, Und Sandow sagten sich damals: In diesen kleinen Quadraten, in denen wir wohnen, werden wir einmal Musik machen.“ Und das haben sie getan. Hier auf der Ausstellungstafel sieht man etwas über den Film „flüstern und SCHREIEN“, ein ganz wichtiger Film der Endzeit der DDR, in dem über diese schräge Szene ausführlich berichtet wurde, u.A. über Sandow, natürlich auch über andere Bands wie „feeling B“. Und Sandow hat in ihm einen ganz großen wichtigen Beitrag für diese Umwälzungsphase – nämlich „Born in the GDR“.

Es geht zurück auf das berühmte Stück Bruce Springsteens „Born in the USA“. Die Geschichte ist schnell erzählt. Im Juli 1988 fand ein riesengroßes Konzert in Weißensee statt und Bruce Springsteen sang seinen Song. Und alle DDR-Konzertbesucher sangen mit. Und das hat Kai-Uwe Kohlschmidt von Sandow so in Rage gebracht oder in ironische Distanz dazu, dass er gesagt hat „Wie kann es eigentlich sein, dass Zehntausende DDR-Menschen dieses Lied mitsingen. Die haben doch mit den USA gar nichts zu tun und sind in der DDR geboren. Warum gibt es kein Lied, das genau das feststellt?“ Das ist so ne Art Ironie, Satire? Auf jeden Fall ein ganz wichtiges Stück für diese Zeit.

Petra Schwarz: In welchem Jahr war das genau?

J. B.: Die Konzerte fanden 1988 statt.

P.S.: Dann haben Sandow gleich den Song geschrieben, wir sprechen also quasi von Wendezeiten?

J.B.: Kai-Uwe Kohlschmidt war nicht auf dem Konzert, sondern hat es sich im DDR-Fernsehen angesehen und dann ist der Text innerhalb kürzester Zeit aus ihm heraus gebrochen. Das war ja eigentlich so eine Intellektuellen-Combo, wenn man so will. Die wollten alles ganz künstlich machen. Alles ganz wichtig. Alles ganz bedeutungsvoll. Und in dem Fall ist quasi der Bauch mit ihm durchgegangen. Und er hat diesen Text geschrieben und im Nu war das Ding fertig und ist in der Endzeit der DDR auf Platte erschienen. Aber hatte dann keine Bedeutung mehr.

P.S.: Das war sozusagen die Crux an der ganzen Geschichte. Es war ja zu DDR-Zeiten noch relativ ungewöhnlich, dass eine DDR-Band einen englischen Text macht, oder?

J.B.: Es gab zu DDR-Zeiten schon gelegentlich englische Texte. Aber sie waren nicht erwünscht. Das ist sicher richtig. Und „Born in the GDR“ einfach so als Textzeile zu nehmen und im Übrigen dann deutsche Verse zu schmieden, das ist ja der besonders wichtige Kontrast. Und jeder wusste, was damit gemeint war.

In der Nachwendephase ist dieser Titel dann missverstanden worden im Sinne einer nostalgischen Ausdeutung. Das hat Sandow überhaupt nicht gefallen, weshalb sie es aus ihrem Repertoire raus nahmen. Obwohl es nach wie vor ihr Hit ist. Und einen anderen hatten sie nicht.

P.S.: Herr Balitzki. Wir bedanken und herzlich für das Gespräch.

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