Sonnabend, 27.2.2010, 19.00 Uhr, WABE
Danziger Str. 101, 10405 Berlin
Eintritt: 15 € / ermäßigt 10 €
mit den Preisträgern der Deutschen Liederbestenliste und weiteren Neuentdeckungen: Danny Dziuk, Bernadette La Hengst, The Incredible Herrengedeck, A.M.T
Die Liederbestenliste, eine von Jurorinnen und Juroren aus Belgien, Österreich, der Schweiz und Deutschland zusammengestellte monatlichen Hitparade deutschsprachiger Musik, geht ins 26. Jahr ihrer Existenz. Der Südwestrundfunk, Nachfolger des Südwestfunks, der 1984 die Liederbestenliste ins Leben gerufen hatte, ließ sich zum 25-jährigen Jubiläum ein besonders originelles Geschenk einfallen. Ab 2010 will der Sender die Durchführung des Liederfests nicht mehr durch einen Konzertmitschnitt unterstützen. Die Liederbestenliste, getragen vom ehrenamtlichen Verein Deutschsprachige Musik, kämpft jetzt ums Überleben.
[aartikel]B001KFIG3C:right[/aartikel]Für seinen Titel „Ein Regenlied“ von der CD „Freche Tattoos auf blutjungen Bankiers“ erhielt Danny Dziuk den Liederpreis 2009 der Liederbestenliste. Wiglaf Droste schreibt in der Ausgabe 6/2009 der Zeitschrift Folker dazu: „Freche Tatoos auf blutjungen Bankiers ist ein großer poetischer und musikalischer Wurf, der auch von existenziellen Fährnissen kündet. In dieser Welt sich nicht zu verheddern, zu verfriemeln und zu verfransen, nicht dem Irrsinn anheimzufallen, nicht dem Terror des positiven Denkens, nicht der Kleingläubigkeit und nicht der Verzweiflung, ist ein großes Wagnis. Es ist gelungen … ›Ein Regenlied‹ – ist eines dieser politischen Lieder, das in einer an Randy Newman, am frühen Franz Josef Degenhardt und an der Bibel geschulten Poesie vom dringenden Wunsch kündet, dass die Welt vom Kot freigespült werde durch die Macht der Gerechtigkeit: ›Regne,Regen, dich in Rage / Feg die Shoppingmeilen leer / Und die Geiz- und Saubagage / Bis ins tiefe blaue Meer// […]‹. Dieser schöne Traum ist, wie man täglich erfährt, bisher nicht in Erfüllung gegangen. Danny Dziuks ›Regenlied‹ hält ihn am Leben.
„Beeeer-lin stinkt, Berlin ist dreckig, Berlin ist ein Skandal, Berlin ist pleite, Berlin hat nischt, Berlin du kannst ma mal. Voooon Frohnau bis an den Wannsee, von Spandau bis Marzahn. Ich halts nich mehr aus, ich muss hier raus, Berlin Du kotzt ma an.“ Herrlich! Das dem Neuköllner Slum entstiegene Trio weiß solche und andere Berlinhymnen auf eine Weise zum Besten zu geben, dass man gleichzeitig meint, man höre einen Schullisäufer am Kotti schimpfen, während einem das Herz aufgeht im Wiedererkennungseffekt unserer schaurig schönen Stadt.
The Incredible Herrengedeck nennen ihren Stil postmodernen Chanson-Punk. Der trifft auf bierernste Ironie, von der man möglicherweise eine Ahnung bekommt, stelle man sich vor, die Neuköllner Kunstfigur Kurt Krömer könne musizieren. Während der Kontrabass, das Klavier und die Gitarre einem die guten alten 20er Jahre vorgaukeln, erzählen die Lyrics von der gescheiterten Existenz eines U-Bahnpianisten, der dô ehemals Intendant am russischen Theater war.
Die „ganz normalen“ Berliner Lebensumstände werden in scharf beobachteten Anekdoten zum Besten gegeben, der Beat und die Wahl der musikalischen Mittel auf den Inhalt abgestimmt. Wunderbar naiv kommt das daher und ist ganz schön hinterfotzig. Schön auch, dass The Incredible Herrengedeck ihre textlich wie musikalisch witzigen Berlinkarrikaturen à la Zille mit seltenem Improvisationstalent zu paaren wissen. Ihre Bühnenshow hat immer etwas von einem Gespräch, das von Laune und Tagesform ihrer Instrumente abhängig ist. Mit Konserve hat dit nischt zu tun!
[aartikel]B0015YI2HS:right[/aartikel]Die Karriere der deutschen Pop- und Elektropop-Musikerin Bernadette La Hengst beginnt 1990 in Hamburg, wo sie die Band „Die Braut haut ins Auge“ gründet. Ein Bandname, der auch für ihre Solokarriere als Leitmotiv gelten kann, egal mit wem sie zusammenarbeitet und in welche Sparten sie reinhüpft. Ob als Mitorganisatorin des Hamburger Ladyfests oder als Performerin: Bernadette La Hengst ist Feministin im besten Sinne, paart ihre politische Haltung, Sichtweise und Texte mit Elektronik-Beats und Samplingtechnik, erfindet sich immer wieder neu, ohne sich zu verlieren. Die seit 2004 in Berlin lebende Bernadette La Hengst geht dorthin, wo es weh tut. So schloss sie sich der in Birmingham initiierten Beschwerdechorbewegung an und gründete kurzerhand nach Freigabe des Konzepts ihren Beschwerdechor im Festspielhaus St. Pölten.
Vor wenigen Wochen kundschaftete sie Istanbul aus, um der Kulturhauptstadt 2010, wie wir hoffen, auf La Hengst’sche Weise ins Auge zu (sc)hauen.
Im Jahr 2009 stand das Bernadette La Hengst Universum im Zeichen der Oper. Anfang des Jahres führte sie Regie am Theater Freiburg und inszenierte eine Bettleroper mit Obdachlosen und Hartz-IV-Empfängern. Mit dem Künstler- und Architektenkollektiv Raumlabor machte sie interaktiv und von medialer Aufmerksamkeit begleitet die U-Bahn zwischen Mühlheim und Essen unsicher. Crossover, spartenübergreifend, pandisziplinär. Man vergreift sich nicht, benutzt man diese Zuschreibungen für La Hengst. Wir sind gespannt, was sie uns von ihren Reisen und unterschiedlichen Projekten zur Liederbestenliste mitbringt.
[aartikel]B002M3GPWA:right[/aartikel]A.M.T sind die halbpakistanische (Film-)Autorin Anne Khan und der deutsch-amerikanische Philosoph Robert Defcon, die sich Ende vergangenen Jahres mit ihrem Debüt „Brennstoff“ souverän als deutsch-lokaler Arm des globalen Elektro- Freibeutertums formiert haben. A.M.T geht es um Sprechakte, um Sprachgewalt und -phänomene und deren stringente musikalische Umsetzung. „Brennstoff“ zündelt an allen Ecken und Enden, legt Bomben und sorgt für derbe Explosionen. Anne Khan, die „Nina Hagen des Hip Hop“ (Stern), besorgt das stimmgewaltig, virtuos und spielerisch, der smarte Dandy Defcon mit seinen durchdringenden Texten.
Um unser Liederbestenlistenpublikum vorzuwarnen, gleichzeitig zu entspannen: Hier sprüht’s Kraftausdrücke, allerdings jederzeit mit Sinn und Verstand. So sollte man vielleicht vorher wissen, dass der Song „Hart durchregieren“, in dem ****** explodieren und ****** glatt rasiert werden, nicht eindimensional die Pornoisierung unserer Gesellschaft kritisiert, sondern von unserer Kanzlerin herself inspiriert wurde. Vor ihrer Wahl sagte diese nämlich in einer Rede, dass in Zukunft wieder hart durchregiert
werde. Wieder, Frau Merkel? Wie und zu welcher Zeit genau noch mal? – Mit diesem Hintergrundwissen ist es absolut political correct, den hardcore durchgerollten „Rs“ des hart durchregierenden A.M.Ts lustvoll zu lauschen.
in Zusammenarbeit mit Gundermanns Seilschaft e.V.
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