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A G’frett is auf der Welt – Politik und Gesellschaftskritik im Wienerlied

In Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Kulturforum Berlin und dem Wiener Volksliedwerk

Referenten: Herbert Zotti und Susanne Schedtler, Wiener Volksliedwerk

Man kennt das Wienerlied ja irgendwie: Hans Moser & Compagnions mit Weinglaserl in der Hand und hoffnungsloser Heiterkeit in Gesicht und Seele.
Auch ist es richtig, dass „die Wiener“ kein besonders rebellisches, aufbegehrendes, revolutionäres Volk sind. Aber wenn man die Gemütlichkeit überstrapaziert und sie solchermaßen aus der vermeintlich wohlverdienten „Ruah“ aufscheucht, ist Schluss mit Lustig.
Wir werden die etwa 200-jährige Geschichte des Wienerliedes im Hinblick auf die (gesellschafts-)politische Relevanz dieses Genres abklopfen und sind sicher, dass wir hier ebenso interessante, wie auch überraschende Entdeckungen machen.

Das G’frett kommt übrigens vom mhd. „vretten“ = sich abmühen.

Mehr zum Wiener Volksliedwerk:

Hat es jemals eine Stadt gegeben, die sich selbst dermaßen besungen hat wie Wien? So beginnt ein Artikel des Literaturwissenschaftlers Harry Zohn über „Das Wienerlied als Psychogramm einer Bevölkerung“. Um es vorwegzunehmen: Nein! Wir weisen zwar gerne darauf hin, dass es urbane Musikphänomene gibt wie den Tango in Buenos Aires oder den Fado in Lissabon. Doch keiner dieser Stadtmusiken hat so exzessiv und so ausschließlich die Heimatstadt und deren Einwohner im Visier wie das Wienerlied.

Das Archiv des Wiener Volksliedwerkes (kurz: wvlw) beherbergt an die 20.000 solcher Lieder, täglich wird nach ihnen gefragt. Schauspieler, Regisseure, Musikausübende und andere Interessierte sind ständig auf der Suche nach diesen Spezies, deren Anfänge wir um 1830 datieren. Neben Archiv-, Beratungs- und Dokumentationstätigkeit nimmt sich das wvlw den Freiraum, Veranstaltungen projekt- und themenbezogen zu gestalten und nach Möglichkeit neue Impulse zu geben. Das muss es auch, wenn es die Aufgabe ernst nimmt, bei jungem Publikum und auch Musikernachwuchs Interesse zu wecken.

An aktivem Nachwuchs mangelt es nicht in Wien, in den letzten Jahren haben sich viele Formationen gebildet, die einerseits stark an der Tradition hängen und andererseits das Wienerlied und die Wiener Volksmusik zum Anlass nehmen, eine eigene Musiksprache und neue Texte zu entwickeln. Die Empörung mancher Traditionalisten wird dabei in Kauf genommen, der Erfolg ist (oft) garantiert. Eine weitere vom wvlw geförderte lokale Spezialität sind „Schrammelquartett“ – Formationen. Das nach den Brüder Johann und Josef Schrammel (Ende 19. Jh.) benannte Quartett ist eine kammermusikalische nur in Wien beheimatete Instrumentalbesetzung mit zwei Geigen, chromatischer Knopfharmonika und Kontragitarre. Das wichtigste Projekt des wvlw ist das jährliche Wienerliedfestival wean hean (= Wien hören), das seit 2000 mit Einblicken in Jazz und zeitgenössische Musik den engen Spielraum des klassischen Wienerliedes weit hinter sich lässt.

Susanne Schedtler

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