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Kulturnotstand in Pankow

Wie bereits HIER berichtet, leidet das Festival genau wie zahllose Künstler, Konzert- und Theaterbesucher, Eltern und Kinder unter dem hemmungslosen Kulturkahlschlag im Berliner Bezirk Pankow. Einzusehen ist, dass auch ein Kulturhaushalt Sparbeiträge zur Konsolidierung eines Bezirkshaushaltes leisten muss. Um 1 Million Euro einzusparen (Quelle: u.a. taz vom 18.1.2012), plant Kulturstadtrat Torsten Kühne (CDU) die Schließung von Bibliotheken, Musikschulen, Galerien und des kompletten Kulturstandortes rund um die WABE.

Abgesehen davon, dass der Einspareffekt durchaus umstritten ist, möchte doch niemand seine Kinder in einer Welt ohne Bibliotheken, Musikschulen und andere kulturelle Einrichtungen aufwachsen lassen. Erwachsene werden notfalls zu “Kulturflüchtlingen” – ein Prozess, der im bereits weitgehend ruhiggestellten Prenz’lberg schon längst Richtung Friedrichshain begonnen hat (ein kultureller touristischer Anziehungspunkt ist die süddeutsche Kleinstadt rund um den Kollwitzplatz längst nicht mehr). Doch wie sieht es eigentlich mit dem Nachwuchs aus? Und wo wird diese Jugend, sollte sie diese Jahre der Verblödung mit einem Restfunken Kreativität überleben, später die erste Band gründen, das erste Bild malen und ausstellen, Theater spielen?

Festivalkonzert 2005 in der WABE

Festivalkonzert 2005 in der WABE

In der Vergangenheit stand Berlin und gerade auch Pankow für kulturelle Vielfalt. Selbst wer niemals reist, hat hier die Chance, praktisch jede kulturelle Idee kennenzulernen. Die WABE ist ein gelungenes Beispiel für ein Kultur-Haus im Wortsinne. Hier gibt es seit über 20 Jahren Livemusik aller Art, aber auch Theater, Diskussionsrunden, Musikwettbewerbe, Kinderfeste. Hier spielen Newcomer neben etablierten und bekannten Künstlern, die faire Produktionsbedingungen für ihre Veranstaltungen vorfinden. Davon hätte die WABE schon öfters profitieren können. Allein – mögliche Einnahmen verschwinden im Bauch des Bezirkshaushaltes und möglicher kommerzieller Erfolg von Veranstaltungen wird der WABE überhaupt nicht angerechnet. Erhält die WABE im Gegenzug einen vernünftigen Etat zum Unterhalt und zur Planung von Veranstaltungen? Nein. Verdient die WABE – wie jeder andere Veranstalter auch – gut an der Gastronomie? Wieder Fehlanzeige. Nun wird die WABE wie ein Klotz am Bein behandelt. Statt sich der Verantwortung für die Musikkultur des großen Bezirks Pankow zu stellen, streicht man lieber die Stellen der letzten Mitarbeiter und die letzten Groschen Sachmittel. Die Einsparung ist nicht gerade riesig, zumal man ja die wirtschaftlichen Möglichkeiten gelungener Veranstaltungen unter den Tisch fallen lässt.

Das richtige Rezept wäre hier – genau wie bei Banken und südeuropäischen EU-Partnern – das AUSGEBEN von Geld! Dabei geht es nicht um Unsummen, sondern um Etats, die der WABE erlauben, ein nichtkommerzielles, allgemeinbildendes Konzept zu bewahren und auszubauen. Kulturarbeit erfüllt Funktionen in der Bildung, Integration, Nachwuchsgewinnung, aber auch bei der Imagepflege eines Bezirkes, der auf Touristen angewiesen ist (denn Fabriken gibt es hier genau so wenig wie in Griechenland). Kultur entsteht nicht allein aus Hobbies. Musiker können nicht alle Taxi fahren und nebenbei noch Werke schaffen. Theater kann sich nicht auf Busfahrten zu Musicals beschränken. Berlin-Pankow braucht geförderte Kultur, von ganz unten (Musikschulen) bis ganz oben (Konzerte mit namhaften Künstlern und Raum für freie Theatergruppen). Wenn der Kulturbetrieb erst einmal läuft, bringt er übrigens auch Einnahmen hervor, die zumindest die Ausgaben minimieren.

Der derzeitige Notbetrieb nach Haushaltssperre in der WABE bedeutet: kein ausgebildetes technisches Personal vor Ort, keine Security, keine Kartenverkäufer und Garderobieren. Schon gar nicht ist an Kartenvorverkauf und Künstlerbetreuung wie Catering oder Übernachtungsplätze zu denken. Und das bei bestehenden Verträgen wie z.B. mit uns und unseren Künstlern. Das Festival mit seinen kaum kommerzialisierbaren Veranstaltungen ist durch die entstehenden Mehrkosten akut gefährdet. Doch wir sind nur ein winziger Ausschnitt des Gesamtproblems…

Berlin leistet sich enorme Ausgaben an anderen Stellen. Die eine Million für Kultur in Pankow, Prenzlauer Berg, Weißensee ist jedoch anscheinend nicht aufzutreiben. Möglicherweise steckt sie in einer Ecke vom Stadtschloss (geplanter Berliner Anteil: 32 Millionen). Eine potente Firma wie BMW baut derweil ein neues repräsentatives Autohaus für sogar 65 Millionen in Berlin. Man hätte ja wenigstens mal nach einer Spende fragen können. Bürgermeister Klaus Wowereit ist gerade unterwegs (er hat ein wulffiges Ticket nach Rom bekommen). Betreibt er dort Fundraising?

 

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